Konzert für Violine und Orchester D-Dur op. 61

Als Beethoven 1805 sein einziges Violinkonzert schrieb, war er seit drei Jahren schwer hörgeschädigt. Ich stelle mir vor, dass er dadurch zu einer Änderung seiner Arbeitsweise kommen musste. Ich kann es mir nicht anders denken, als dass er seine inneren Klangvorstellungen neu ordnen und intensivieren musste, so ähnlich wie blinde Menschen andere Sinne verfeinern, um ihre Blindheit auszugleichen. Ich sehe die Verinnerlichung, die weite Teile des Violinkonzerts kennzeichnet, als Ausdruck dieser Neuorientierung. Dass es noch dazu Beethovens einziges Solokonzert für ein Streichinstrument ist, erhöht seine Sonderstellung. Geschrieben wurde es für Franz Clement, einen Virtuosen, der nach zeitgenössischen Quellen Artistik und Effekthascherei nicht abgeneigt war – beides bei einem Werk wie Beethovens Konzert völlig unangebracht. Das mag ein Grund dafür gewesen sein, dass das Uraufführungspublikum mit Unverständnis reagierte. Ein Kritiker sprach weiters auch davon, dass der musikalische Anspruch für Durchschnittshörer zu hoch sei und beanstandete zu häufige Wiederholungen „schöner Stellen“. So sollte es noch bis 1844 dauern, dass Felix Mendelssohn-Bartholdy und sein 12-jähriger Solist Joseph Joachim Beethovens Konzert zu jenem Rang verhalfen, der ihm gebührt.

Was ist nun das Besondere an diesem Violinkonzert? Mir fällt als erstes seine „Geschlossenheit“ auf. Die drei Sätze sind Wunderwerke in sich, aber wie sich diese zu einem Gebilde von solcher Ausgewogenheit und Leuchtkraft zusammenschließen, ist für mich, je länger, je mehr, unfassbar. Das zweite Merkmal ist „Ökonomie“. Beethoven verschwendet sich nicht in einer Fülle von Gedanken und typisch „geigerischen“ Melodien. Er konzentriert sich auf wenige Grundthemen, die er phantasievoll abwandelt und koloriert. Leere Phrasen gibt es nicht. Und ein Drittes: „Gefühlstiefe“. Beethoven weint, lacht und empfindet wie wir. Keine kämpferische Pose diesmal, kein donnernder Zeus, sondern ein dem Leben zugewandter, vor sich hin singender und tanzender Mensch. Der Komponist lässt helle und leichte Klänge überwiegen: im Silberfaden der Solovioline, im Schweben der Holzbläser und in häufig aufwärts führenden Melodien.

Für mich spricht viel Optimismus aus dieser Musik – Optimismus von einem, dem das Leben gerade bittere Lektionen verabreicht hat. Dass es Beethoven in seinem Violinkonzert gelang, so viel positive Energie zu bündeln, ringt mir Respekt ab. Er bleibt auch hier „Titan“; aber für mich eben ein Titan der „Verinnerlichung“.