Werkbesprechungen

Sinfonie Nr. 3 Es-Dur op. 55 „Eroica“

1. Satz Allegro con brio
2. Satz Marcia funebre. Adagio assai
3. Satz Scherzo. Allegro vivace
4. Satz Finale. Allegro molto

Beethoven muss ein politischer Mensch gewesen sein. Einige Werke spiegeln direkt Zeitgeschichte wie „Wellingtons Sieg“, andere greifen inhaltlich die Ideale der Französischen Revolution auf wie die noch eher naive Chorfantasie oder das Finale der IX. Sinfonie. Die dritte Sinfonie, komponiert 1802 bis 1803, fällt genau in die Zeit von Napoleons Aufschwung. Beethoven ließ sich dennoch nicht zu einem banalen Huldigungswerk hinreißen, sondern fasste das Bild des „Helden“ idealtypisch auf. Was auch immer an der vernichteten Widmung für Napoleon wahr ist – ihre Eliminierung kann man im Autograph noch erkennen -, den Beinamen „Eroica“ verdient Beethovens dritte Sinfonie völlig zu Recht. Nicht nur, weil die Musik stellenweise „heroisch“ klingt, was zum Teil an der neuartigen Behandlung der Blechbläser liegt, sondern auch, sofern man das Etikette auf den Verfasser anwenden möchte, weil Beethoven mit dieser Schöpfung als künstlerischer Heros und ästhetischer Revolutionär hervortritt.

Hier schlägt er einen in der Sinfonik bis dahin unbekannten Ton an. Das menschliche Individuum hält Einzug, ab nun wurden „Seelendramen“ gestaltet. Thematische Arbeit ist nicht mehr nur kunstvoll, sie ist gleichsam „psychologisierend“: Themen werden verarbeitet und dadurch menschliches Schicksal gestaltet – ein Zugang, der in Wagners Leitmotivbehandlung mündet. Auch an Länge und Wucht überragt die „Eroica“ jede jemals zuvor geschriebene Sinfonie. Allein der erste Satz hat 691 Takte! Eben diesen Satz kennzeichnet ein unwiderstehlicher Impetus, der sich in großflächigen Steigerungen, in typischen „Beethoven“-Akzente auf schwachen Taktteilen, in schneidenden Dissonanzen (Trompeten!) und in tremolierten Geigenlinien ausformt. Eine besonders markante Stelle ist der „falsche“ Horneinsatz vor der Reprise: Während das Orchester noch den Dominantakkord festhält, nimmt das Horn bereits die Tonika vorweg! Gebaut ist der Satz über ein denkbar einfaches Hauptthema aus einem simplen Es-Dur-Dreiklang. Die Melodie des Trauermarsches ist da schon wesentlich ausgefeilter. Was sie unverwechselbar macht, sind die trommelartigen Schleiferfiguren im Kontrabass – ein schauerlicher Effekt, der an einen Kondukt gemahnt.

Der Mittelteil in Dur eröffnet einen kurzfristigen Lichtblick. Die Wiederkehr der Trauerthematik im Fugato lockt die Schatten aber schnell wieder hervor. Am Höhepunkt hört die Musik dann plötzlich auf: Trompeten und Hörner erheben eine Anklage und verkünden ein Urteil. Das davon ausgeloste Zittern in Flöte und Violinen will bis zum Ende nicht mehr weichen. Den Violinen bleibt die eigene Melodie „im Halse stecken“. Das letzte Wort haben dann wieder die unheimlichen Schleifer. Gegenüber dieser Ausweglosigkeit versucht das Scherzo einen Neuanfang. Die Oboe zieht aus einer federnden Streicherbewegung ein quirliges Hauptthema aus dem Hut. Das Trio gehört ganz den drei Hörnern. Einen besonders enervierenden Effekt bringt die Scherzo-Wiederholung, wenn ein kurzer Abschnitt in den Alla-Breve-Takt wechselt. Ein paar Paukenschläge genügen, um dem Satz am Schluss den Kopf abzuhauen. Die Einleitung zum Finale klingt wie am Klavier improvisiert: Abstürzende Läufe führen zum Dominantklang, aus dem sich im leisen Pizziccato das Thema der folgenden Variationen herausschält. Es ist unwiderstehlich, wie Beethoven zu diesen harmlosen paar Tönen immer mehr Gegenstimmen und Kontrastmotive hinzuerfindet. Auch hier scheut er vor scharfen Dissonanzen nicht zurück. Besonders markant ist eine Moll-Variante im punktierten Rhythmus kurz nach der Satzmitte. Nach großem Aufschwung erscheint