Sinfonie Nr. 4 in f-Moll op. 36

I.  Andante sostenuto – Moderato con anima
II. Andantino in modo di canzone
III. Scherzo: Pizzicato ostinato – Allegro
IV. Finale: Allegro con fuoco

Auch Pjotr Illjitsch Tschaikowski rettete sich 1877 mit seiner vierten Sinfonie aus einer äußerst schwierigen Lebensphase. Die unüberlegte Heirat mit seiner Studentin Antonina Miljukowa hatte den Homosexuellen in eine verständliche Krise gestürzt, der er zuerst durch räumliche Trennung, später durch einen Selbstmordversuch zu entkommen versuchte. Die Situation kulminierte in einem Nervenzusammenbruch, in dem ihn schließlich nur der briefliche Zuspruch seiner seelenverwandten Freundin und Gönnerin Nadeschda von Meck auffangen konnte. Sie war es, die Tschaikowski wieder zur Arbeit ermutigte, und wirklich gelang es dem schwer angeschlagenen Komponisten, seine seelische Not in einem großen Orchesterwerk zu verarbeiten. Nicht von ungefähr steht diese vierte Sinfonie in der tragischen Tonart f-Moll. Sie wird von einem ehernen Blechbläserthema eröffnet, das in allen vier Sätzen als Bild für das „unausweichliche Schicksal“ wiederkehrt. Hochinteressant ist, wie Tschaikowski sich in einem Brief an Frau von Meck inhaltlich über die Sinfonie äußert. Er entwirft aus dem Gegensatz zwischen der harten äußeren Realität und der Fragilität seines Innenlebens ein seelisches Panorama von Träumen und Sehnen, Hoffen und Bangen, Streben und Scheitern – keine Rede von irgendeinem äußerlichen „Programm“, das der Sinfonie manchmal angedichtet wird. Vielmehr war sich der Komponist im Klaren, gerade mit dieser Sinfonie in neue seelische Bezirke vorgedrungen und Entscheidendes darin ausgedrückt zu haben – Tragik, Krise und Melancholie zum Trotz. Das leidende Walzerthema des ersten Satzes, die wehmütige Kantilene des zweiten Satzes, das virtuose Spiel mit den Orchestergruppen im dritten Satz, die rasenden Überschläge im vierten Satz – sie alle sind zu unauslöschlichen Abdrücken seiner Musik im kollektiven musikalischen Bewusstsein geworden.