Symphonie Nr. 4 d-Moll op. 120

1. Satz  Ziemlich langsam – Lebhaft
2. Satz Romanze. Ziemlich langsam
3. Satz Scherzo. Lebhaft – Trio
4. Satz Langsam – Lebhaft – Presto

Das konzertimmanente Prinzip von „thematischer Verflechtung“ hat auch in der vierten Sinfonie von Robert Schumann einen großen Anteil. Hier sind die vier Sätze durch auffällige Rückgriffe auf bereits gehörtes Themenmaterial sogar so stark vernetzt, dass sich die Grenzen zwischen ihnen aufweichen. Dass sie noch dazu alle attacca in einander übergehen, verstärkt diese Wirkung von formaler Verschleierung noch. Insofern passt es, dass Schumann sein Werk ursprünglich „Symphonische Phantasie“ nennen wollte. Damit ist ein improvisatorisches Element angedeutet, das in Symphonien sonst eher nicht anzutreffen wäre. Denkt man sich „Phantasie“ als einen Gattungsbegriff, dann würde man ihn eher bei Soloinstrumenten wie dem Klavier antreffen.

Vielleicht dienen die thematischen Rückbezüge in dem Werk aber auch gerade dazu, der Gefahr von Formlosigkeit entgegen zu wirken, die bei einer Phantasie verzeihlich, bei einer Symphonie aber obsolet gewesen wäre. Jedenfalls hat Schumann die Symphonie 1851 – 10 Jahre nach ihrer Entstehung – einer gründlichen Umarbeitung für nötig befunden. Sie beginnt, außergewöhnlich genug, gleich mit einer Synkope auf dem schwächsten Taktteil – eine „romantische“ Verschleierung der metrischen Struktur, die zu Schumanns Stil gehört. Aus diesem dumpfen Seufzer entwindet sich eine traurige Melodie in parallelen Sexten, zunächst noch scheu, zusehends aber mit sich verdichtendem Klang. Ein scheinbar belangloser Nebengedanke gewinnt im folgenden Stringendo an Bedeutung, bevor er sich sogar als Hauptthema des folgenden schnellen Satzes entpuppt. In seinem eigenwilligen Charakter und der obstinanten Artikulation aus zwei gebundenen und zwei gestoßenen Sechzehntelnoten klingt dieses Thema geradezu wie am Klavier entdeckt.

Immer wieder schwingt sich der charakteristische Sprung in die Höhe. Ein wirkliches Seitenthema kommt erst inmitten der Durchführung, eine Reprise im eigentlichen Sinn fehlt sogar ganz. Beides sind formale Freiheiten, die den ursprünglichen „Phantasie“-Titel rechtfertigen würden. Der ritterliche Charakter des Satzes – Schumann selbst personifizierte ihn mit der Figur des „Florestan“ – ist so vorherrschend, dass in der Coda auch das vormals lyrische Seitenthema von scharfen Punktierungen erfasst wird. Die folgende „Romanze“ lässt Schumanns andere musikalische Ausdruckswelten miteinander in Dialog treten: „Meister Raro“ im nachdenklichen Tonfall des Anfangs (Cello- und Oboensolo) und „Eusebius“ im schwärmerischen Mittelteil. Die fließenden Verzierungen der Sologeige über der nach Dur gerückten Einleitungsmelodik könnte man sich gut und gerne auch als Klavierarabesken denken. Sie werden im Trio des folgenden Satzes gleich noch einmal aufgegriffen. Wie Schumann das trotzige Hauptthema dieses Scherzos konsequent zweistimmig führt, zeichnet ihn kontrapunktisch vor kleineren Meistern aus, die auf solche zusätzlichen Verschränkungen wahrscheinlich verzichtet hätten.

Eine sich beschleunigende Überleitung zum Finale erinnert an die entsprechende Stelle im ersten Satz, auch der motivische Baustein ist derselbe. Er wird zur Begleitfigur für die sich im Hauptsatz darüber schichtenden Akkordsäulen. Insgesamt ist dieser Schlusssatz von einer sich in punktierten Figuren und aufwärtsfahrenden Tonleitermotiven überbordenden Energie geprägt. Zwei Temporückungen am Ende sorgen für eine weitere Steigerung und einen kräftigen Abschluss.