Werkbesprechungen

Ouvertüre Leonore Nr. 3 op. 72a

„Freiheit“ lautet das Motto des ersten Abonnementkonzerts der Bad Reichenhaller Philharmonie im heurigen Jahr. Für wen könnte dieses Motto mehr gelten als für Ludwig van Beethoven! Seine einzige Oper „Fidelio“ inszeniert die Idee der Freiheit ja als höchstes und gefährdetstes Gut des Menschen in geradezu zeitloser Weise. Die Handlung verquickt das Motiv der Gattenliebe mit dem Freiheitsthema: Leonore scheut keine Gefahr, um ihren Gatten Florestan aus unverschuldeter Gefangenschaft zu befreien. Mit ihm gemeinsam verlassen am Ende auch die anderen Insassen Pizarros schreckliches Politgefängnis – musikalisch von Beethoven unnachahmlich geschildert.

Das Stück beschäftigte Beethoven tief und grundlegend. Nicht nur brütete er lange über dem endgültigen Titel, er verfasst für verschiedene Aufführungstermine auch insgesamt vier Ouvertüren. Die berühmteste davon ist die dritte, die sogenannte Leonoren-Ouverüre – eine Komposition von höchster Dramatik, die Beethoven jedoch für eine Opernaufführung als zu lang erschien. Im Konzertsaal hat sie sich aber eindeutig gegen ihre drei Konkurrentinnen durchgesetzt. Sie beginnt mit einem Orchesterschlag, der wie eine ins Schloss fallende Zellentür klingt. Darauf folgt ein Zitat aus Florestans großer Arie „In des Lebens Frühlingstagen“ vom Beginn des zweiten Aktes. Nach der spannungsgeladenen, dumpfen Einleitung bricht sich ein typisch Beethovenscher Furor Bahn, der nach und nach alle Instrumente erfasst. In der Mitte des Satzes verheißt ein zweimaliges Trompetensignal die schließliche Lösung des Konflikts. Das Schlusspresto sprengt jeden Rahmen.

Beethoven wäre nicht der Idealist, der er war, wenn er das Freiheitsthema nicht ganz grundsätzlich aufgefasst hätte. Wohl im Sinne von Schillers Ideendrama schrieb er nicht nur Musik zu einer mehr oder weniger beliebigen Handlung, sondern fokussierte sich im Speziellen auf die Idee der „Freiheit“ als eines in der Menschheitsgeschichte immer wiederkehrenden Topos. Nicht nur Florestan wird befreit, sondern in der Figur des Florestan alle Unterdrückten und womöglich die ganze Menschheit überhaupt. Nur so ist erklärbar, dass die Musik nach dem düsteren Beginn so himmelstürmend entfesselt klingt. Man möchte sie, um noch einen anderen „gefangenen Befreier“ zu nennen, geradezu als „prometheisch“ bezeichnen.