Werkbesprechungen

Sinfonie Nr. 5 c-Moll op. 67

1. Satz Allegro con brio
2. Satz Andante con moto
3. Satz Allegro
4. Satz Allegro

Das „Heiligenstädter Testament“ markiert einen Wendepunkt in Beethovens Biografie: Die Aussicht auf ein glückliches Leben als anerkannter Pianist und Komponist war durch die Erkenntnis seiner Ertaubung zerstört. Beethovens Schicksal nahm einen ungeahnten Verlauf. Auch künstlerisch begab er sich danach auf neue Wege, die vor keiner Kühnheit zurückschreckten. Seine fünfte Sinfonie ist dafür ein Paradebeispiel. Fertiggestellt im Jahre 1808 erklang sie erstmals in jener berühmt gewordenen Akademie, in der auch die sechste Sinfonie, das vierte Klavierkonzert, Teile der C-Dur Messe sowie die Chorfantasie uraufgeführt wurden.

Was ist über diesen „Koloss“ der Musikliteratur nicht alles gesagt und geschrieben worden… Wenige Werke der Musikgeschichte haben Hörer und Historiker so beschäftigt wie just dieses Werk. Warum? Es kann nicht nur an der betulichen Anekdote vom „an die Türe klopfenden Schicksal“ liegen, die in Bezug auf das allseits bekannte Hauptthema immer wieder zitiert wird. Es kann auch nicht nur am heroischen Tonfall liegen, den das Werk anschlägt, schließlich hatte Beethoven ja schon eine Eroica komponiert. Sicherlich, einen Kopfsatz wie diesen wird man vorher schwerlich finden: Im Grunde monothematisch angelegt, ist er völlig dominiert von den energisch repetierten Achteln, die dem Satz eine stetige innere Unruhe verschaffen. Aufs Äußerste komprimiert hetzt diese Musik ohne eigentliche Aussicht auf Erlösung dahin. Das charakteristische c-Moll verfestigt sich immer mehr, bis es wie ein unüberwindliches schroffes Felsengebirge vor uns zu stehen scheint. Im zweiten Satz folgt jedoch ein Umschwung: Von gezupften Kontrabässen zart unterfüttert steigt eine scheue Liedmelodie in Bratschen und Celli auf, die zur Grundlagen mehrerer Variationsfolgen wird. Mit den fortissimo dreinfahrenden Hörnern und Trompeten kommt immer wieder ein heroisches Element ins Spiel. Das ist also gar kein einfacher Liedsatz, sondern wieder Schauplatz von Dramatik und Konflikt! Das Scherzo greift die „anschlagenden“ Töne des Kopfsatzes auf – aber erst, nachdem die tiefen Streicher „vom Dunklen ins Licht geführt haben“, wie man so oft über diese Sinfonie lesen kann. Was ist das dann aber für ein aberwitziger „Trio-Versuch“ mit seinen massiven Fugato-Ansätzen? Wo bleibt denn da die ersehnte Idyllik? Beethoven interessieren die Erwartungen eines Hörers oder Spielers offenbar nicht. So etwas Wildes konnte im Zusammenhang der klassischen Sinfonik nur jemand erfinden, der musikalische und gesellschaftliche Konvention hinter sich gelassen hat. Aus dem dreifachen Pianissimo führt uns ein vor Spannung berstender Übergang dann direkt ins Finale. Hier ist C-Dur erreicht und was für eines! Exzessiv wird diese „Tonart des Lichts“ im Marschrhythmus geradezu vorexerziert. Erstmals in der Sinfoniegeschichte sind auch Piccoloflöte, Kontrafagott und Posaunen hinzugezogen. Frappierend ist, wie Beethoven in der Satzmitte plötzlich das düstere Scherzo aufgreift, so als sei er sich des Triumphes auf einmal doch nicht so ganz sicher. Solche formalen Rückgriffe kennen wir auch aus seinen Klaviersonaten. Mit einer finalen Beschleunigung gelingt es dem Komponisten am Ende jedoch, noch einen Zahn zuzulegen. Dass einmal eine derartige Euphorie ausbrechen könnte, hätte man am Anfang des Werkes nicht gedacht. Vielleicht ist es gerade dieser abgrundtiefe Gegensatz, der die Fünfte Beethoven so unvergleichlich macht. Nie zuvor wurde eine solche seelische Spannbreite musikalisch ausgeleuchtet. Die Art, wie sich hier einer „am Riemen reißt“, ist Ehrfurcht gebietend. Fassen wir es vielleicht so zusammen: Wenn schon „Schicksalssinfonie“, dann eine, die dem Schicksal trotzt. Und wenn schon „Löwe“, dann in der Gestalt des Königs und nicht der Bestie…