Querschnitt durch „Bastien und Bastienne“ KV 50 und „Così fan tutte“ KV 588

Ursprung und Reifestil Mozarts verbindet die eröffnende Operngala mit Ausschnitten aus der Schäferromanze „Bastien und Bastienne“ des 12-Jährigen und dem Kammerspiel „Cosi fan tutte“ von 1790. In beiden Werken geht es um vermeintliche oder tatsächliche „Untreue“, was bei biographisch so weit auseinanderliegen Stücken eigentlich als Überraschung zu werten ist. Interessant, was die Entstehungsgeschichte des Jugendstücks betrifft, ist die Tatsache, dass sich bereits das Kind Mozart weltanschaulich offenbar auf der Höhe seiner Zeit befand, folgte Mozart mit seinem Schäferstück doch niemand Geringerem Jean-Jacques Rousseau und dessen Stück „Le Devin du village“ nach. Mozart lernte den Stoff als übersetzte Umarbeitung kennen und bereits 1767 berichtet Leopold Mozarts davon, dass sein Sohn sich an einer „deutschen Operette“ mit dem Titel „Bastien und Bastienne“ versuche. Abgeschlossen wurde die Komposition im Spätsommer 1768 in Wien. Es ist zwar nicht gesichert, wäre aber eine hochinteressante Koinzidenz, wenn – wie Mozarts erster Biographen Georg von Nissen erwähnte – die private Erstaufführung im Gartenhaus von Dr. Mesmer in Wien stattgefunden hätte, seines Zeichens europaweit berühmter Magnetiseur und Wunderheiler, der an einer Figur wie der des Zauberers Colas, der Bastienne mit Magie vom Liebeskummer heilt, sicher sein Vergnügen gehabt hätte.

Mozarts Vertonung offenbart die unschuldigen Empfindungen eines Kindes. Wie einfühlsam hat er Bastiennes Traurigkeit in der einleitenden Arie „Mein liebster Freund hat mich verlassen“ eingefangen! Die Zauberarie „Diggi, daggi“ überrascht dagegen mit Dämonie. Für Mozarts späteres Schaffen erhellend ist Bastiens Accompagnato-Rezitativ „Dein Trotz vermehrt sich durch mein Leiden“, nimmt diese Selbstmordfantasie doch bereits Paminas ähnlich gelagerte „Zauberflöten“-Szene vorweg.

Mozarts unbegreifliche Fähigkeit, das Innenleben seiner Figuren musikalisch transparent zu machen, war, wenn man diese Musik hört, bereits in einem so frühen Stadium hoch entwickelt – wenn sie nicht überhaupt gleich angeboren war. Diese Disposition musste ihn am Ende seiner Opernlaufbahn zu einem Stoff wie „Cosi fan tutte“ geradezu prädestinieren. 1790 griff er ein Libretto Da Pontes auf und schrieb in rasender Eile an der Partitur, hatte Joseph II. doch bereits Aufführungen angesetzt. Unter den Meisterwerken Mozarts hatte die Oper allerdings von Beginn an einen schweren Stand. Nicht wegen Mozarts hochinspirierter Musik, sondern aufgrund der moralischen Kühnheiten des Textbuches. Die vorgeführte Untreue zweier Frauen wird von dem zynischen Philosoph Don Alfonso auch noch mit den Worten quittiert: „So machen’s alle!“ Wie soll dann aber ein liebender Gatte nach der Vorstellung zu seiner Gattin ins traute Heim eilen, wenn sie ihm womöglich gerade von seinem besten Freund abspenstig gemacht worden ist? Und welche ehrbare Dame könnte ihrer öffentlichen Diffamierung anders als mit Empörung oder Widerspruch begegnen? Keine guten Voraussetzungen für einen durchschlagenden Erfolg… Woran wir alle so gerne glauben, die Sicherheit von Liebesverhältnissen, genau diese wird durch die Handlung der Cosi ad absurdum geführt. Das miterleben zu müssen, kann für manche eine Qual, für andere eine Ernüchterung, aber nur für die Allerwenigsten ein unbelastetes Vergnügen sein. Dass Mozart für diese Handlung voller Widerhaken eine derart zu Herzen gehende Musik erfunden hat, zwingt den Zuhörer umso mehr, das Ganze ernst und nicht etwa als bloßen Buffo-Spaß zu nehmen.