Rhapsody in Blue

Amerikas Anschluss an das internationale Musikleben fand nicht vor 1800 statt und erst weitere hundert Jahre später sollte die amerikanische Musik ihre Abhängigkeit von Europa schließlich weitgehend überwunden haben. Unter dem Einfluss jazziger, populärer und folkloristischer Musikstile entwickelte sich die musikalische Eigenart Amerikas langsam und allmählich. Ein wichtiger Vorreiter dabei war der in New York wirkende Pianist, Arrangeur und Komponist George Gershwin – die vielleicht erste typisch amerikanische Begabung von Weltgeltung. Die Entstehungsgeschichte seiner berühmten „Rhapsody in Blue“ ist ebenso atemberaubend wie das Stück selbst. Nach einer gemeinsamen Arbeit mit dem Bandleader Paul Whiteman an der Revue „George White’s Scandals“ sollte Gershwin ein jazziges Orchesterstück schreiben. Gershwin lehnte Whitemans Auftrag aber ab, weil er sich für die Komposition von Orchestermusik nicht kompetent genug fühlte. Whiteman wiederum war nicht der Mann, der sich von so etwas abhalten ließe. Er setzte kurzerhand einen Konzerttermin fest und lancierte an die Presse eine zu erwartende Uraufführung aus Gershwins Feder. Als Gershwin davon erfuhr, blieben ihm noch fünf Wochen Zeit für die Komposition eines ausgewachsenen Konzertstücks für Klavier und Orchester. Er arbeitete unter Hochdruck an den Skizzen, die ihm Whitemans Arrangeur Ferde Grofé noch ofenwarm aus der Hand riss, um sie zu instrumentieren. Acht Tage vor der Premiere am 12. Februar 1924 war das Werk abgeschlossen. Die Uraufführung gestaltete sich nach ungünstigen Vorzeichen schließlich doch zu einem Triumph für den Komponisten, der den virtuosen Solopart selber spielte.

Die Musik dieser „Rhapsody“ schöpft ihre Inspiration aus der Jazzsphäre. Bereits das Klarinettensolo zu Beginn entführt mit seinem berühmten Glissando in die Welt der Clubs und Nachtlokale. Die Blechbläser erhalten vielfältige Aufgaben, wie sie überhaupt zu einem Markenzeichen der amerikanischen Musik werden sollten. Den Titel erfand übrigens Gershwins Bruder Ira und zwar nicht als Farbassoziation gemeint, sondern wie im „Blues“ als Umschreibung der Stimmung. „Blue bezeichnet hier nicht die Farbe Blau, vielmehr den Begriff des Sehnsuchtsvollen, Traurigen und Unbestimmten.“ (Karl Schumann). Freilich beinhaltet die Rhapsody auch genügend gegenläufige Motive der Wildheit und Ausgelassenheit.