Ballade op. 78

Wie wir aus der Lektüre der großen russischen Schriftsteller wissen, ist die russische Seele von ebenso großer Leidenschaftlichkeit wie Schwermut geprägt. Beide Begriffe stecken auch jenen Bereich ab, innerhalb dessen sich die Musik des ersten Abonnementkonzerts zum Thema „Russland“ bewegt: Alle aufgeführten hochromantischen Werke zeichnen sich durch besondere Nähe zu Melancholie und Tragik aus.

Die Ballade op. 78 von Alexander Glazunow entstand 1902. Der blühende Orchesterklang, den der Schüler von Nikolai Rimski-Korsakov darin hervorzaubert, kommt nicht von ungefähr, unterrichtete Glazunow doch genau das Fach „Instrumentation“ am Moskauer Konservatorium. Die glänzende Klangoberfläche kann freilich nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich darunter starke seelische Konflikte Raum schaffen. Zu Beginn bewegt sich eine dunkel abgetönte Streichermelodie in langen Seufzern auf einen Höhepunkt zu. Der beweglichere Mittelteil ist von Blechbläserfanfaren gegenzeichnet, die im Schlussteil die wiederkehrende Melodik der Streicher kontrapunktieren. Entfernt erinnern manche Klänge in ihrer Mischung aus Harfe und Streichern an Mahlers „Adagietto“ in dessen V. Symphonie. Während Mahlers zeitgleich entstandenes Stück jedoch eine Liebeserklärung voll Sehnsucht und Hoffnung ist, erreicht Glazunows Ballade einen versöhnlichen Ausklang nur über Resignation und Verzicht.