Konzert für Violine und Orchester a-Moll op. 53

1. Satz  Allegro ma non troppo
2. Satz Adagio ma non troppo
3. Satz Finale: Allegro giocoso, ma non troppo

Förderung beinhaltet die Gefahr von Uneigenständigkeit dann in sich, wenn es dem Geförderten nicht gelingt, sich früher oder später daraus zu lösen. Dvořáks Orientierung an Brahms war zu Beginn so stark, dass er Gefahr lief, seinem Vorbild nachzueifern. Manchmal hat man den Eindruck, dass Dvořák Brahms ein gleichwertiges Werk zur Seite stellen wollte, um zu beweisen, dass er es auch „kann“. Mit seinem Violinkonzert hat Brahms wohl wieder einmal die Initialzündung dafür geliefert, dass Dvořák ein Jahr später ein ebensolches Konzert schrieb – noch dazu für Joseph Joachim, jenen Geiger, für den auch Brahms sein Stück verfasst hat. Joachim behielt Dvořáks Partitur allerdings zwei Jahre (!) zum Studium und für Änderungen bei sich, um es dann aber trotzdem nicht uraufzuführen. Dvořáks Freund František Ondříček war es, der das Konzert 1883 in Prag aus der Taufe.

Während Brahms Zeit seines Lebens von ungarischer Musik begeistert war, sind es in Dvořáks Werk naturgemäß mehr slawische Einflüsse. So ist es auch bei seinem Violinkonzert: Die böhmische Note ist eine wesentliche Zutat, die Dvořáks Konzert dem Brahms‘schen Werk voraushat. Davon sind im ersten Satz zuerst nur Andeutungen zu hören. Eher düster hebt er mit einer charakteristischen Quint im Unisono des gesamten Orchesters an. Bereits im fünften Takt tritt das Soloinstrument dazu und beteiligt sich mit Läufen und Dreiklangsbrechungen an der Suche nach der Grundtonart. Erst als diese gefunden und gefestigt ist, übernimmt die Solovioline auch thematisch die Führung. Ein Triolenmotiv, das aus dem Hauptthema gewonnen ist, gewinnt im Laufe des Satzes zunehmend an Bedeutung. Beim Seitenthema wechselt die Tonart nach C-Dur, die Passage hat aber eher episodischen Charakter. Die Durchführung bietet dem Soloinstrument über wechselnden Harmonien Platz für virtuose Entfaltung. Eine kurze Überleitung bringt uns am Ende nach F-Dur und zum Mittelsatz. Ganz der Form entsprechend setzt Dvořák die Violine hier stets „cantabile“ ein. Mollpassagen sorgen für den dramatischen Gegensatz. Ein sehr schöner Effekt entsteht, wenn die Tutti-Streicher die Hauptmelodie im Pianissimo aufgreifen und die Sologeige darüber zarte Figurationen spinnt. In der Satzmitte moduliert das Stück mit Hilfe zweier Trompeten überraschend nach As-Dur, um am Ende elegant ins idyllische F-Dur zurückzugleiten. Das folgende Finale ist der am meisten zupackende Satz des gesamten Werkes. Hier wirkt sich Dvořáks böhmisches Temperament am unmittelbarsten aus. Allein der Rhythmus des ersten Furiant-Themas fährt „in die Beine“. Aus der slawischen Volksmusik bekannte Hemiolen – Akzentverschiebungen im Dreier-Takt – beleben das Geschehen noch zusätzlich. Dvořák lässt eine Fülle kleinerer und größerer Motive vorüberziehen, darunter manch heitere, aber auch eine schwermütige Dumka in parallelen Terzen und Sexten. Ab der Reprise zieht der Satz zügig voran, bevor kurz vor dem Ende noch einmal jenes Quintmotiv auftritt, das wir ganz am Anfang des Konzerts gehört haben – eine Art von „Klammer“ also auch hier.