Symphonie Nr. 7 d-Moll op. 70

1. Satz Allegro maestoso
2. Satz Poco Adagio
3. Satz Scherzo. Vivace
4. Satz Finale. Allegro

Johannes Brahms war für den acht Jahre jüngeren Antonin Dvorak ein viel bewundertes Vorbild. Doch war er mehr als das: Er war Förderer und Freund. Es ist nicht zuletzt Brahms zu verdanken, dass dem mittellosen Dvorak 1877 in Wien zum dritten Mal das staatliche Stipendium des Kultusministeriums für bedürftige Künstler verliehen wurde. Mit seinen Werken suchte Dvorak an seinen verehrten Gönner anzuschließen, zumindest dort, wo es Anknüpfungspunkte gab: in der Kammermusik und in der Sinfonie. Schon früh hatte Dvorak Sinfonien im Zeichen böhmischer Volksmusik geschrieben. Es war aber die Bekanntschaft mit Brahms Meisterwerken, die Dvoraks urtümliches Musikantentum auf diesem Gebiet in künstlerische Bahnen zu lenken vermochte. Einen besonders starken Eindruck auf Dvorak hinterließ in dieser Hinsicht Brahms 1883 komponierte dritte Sinfonie. Wie souverän Brahms darin mit seinem Material verfuhr, wurde für Dvorak zum Denkanstoß. Er nahm die 1884 verliehene Ehrenmitglied der London Philharmonic Society zum Anlass für eine eigene Sinfonie, die Brahms Techniken aufnehmen und in die eigene Sprache übersetzen sollte. Dass es Dvorak gelang, trotz aller Einflüsse ein Werk von individueller Eigenart zu schreiben, zeugt von der Stärke seiner Begabung: Ein anderer hätte sich im Epigonalen verstrickt.

Das am 17. März 1885 beendete neue Werk beginnt für den genialen Melodiker Dvorak ungewöhnlich düster und zerklüftet. Die sich windende d-Moll-Linie führt zu weit gespannten Intervallsprüngen und dramatischen Ausbrüchen, die man eher in einer (Wagner-)Oper erwarten würde. Der 6/8-Takt ruft die auch bei Brahms häufigen Hemiolen hervor. Gerne führt Dvorak seine Melodien in Terzen und Sexten. Ein überraschender Moment entsteht kurz vor Schluss: Nach einer beschleunigten Schlusssteigerung hören wir in den Holzbläsern einen Augenblick lang den „Tristan-Akkord“ (Takt 299). Das mag nicht viel bedeuten, auffällig ist es aber schon. Der zweite Satz beginnt mit einem getragenen Holzbläsersatz. Ein fallendes Streichermotiv bringt uns zum Nachdenken. Ein arkadisches Hornthema bricht unvermittelt in einer heftigen Mollpassage ab. In der Reprise kehrt Dvorak die Rollen vom Anfang um: Nun stimmen die Celli das Hauptthema an, während Flöten und Oboen es wellenartig umspielen. Immer hat auch das Solohorn sein gewichtiges Wörtchen mitzureden. Der Abgesang gehört wieder der Oboe allein. Der charakteristischste Satz des Werkes ist wohl der dritte, ein böhmischer Tanz mit einprägsamem Rhythmus. Auffällig sind häufige Triller in den Holzbläsern als Kontrast zu den aufwärtssteigenden Linien der Streicher. Ein bukolisches Trio sorgt für Entspannung. Am Ende halten die Bratschen kurz inne, bevor das ganze Orchester den thematischen Rhythmus noch einmal herausschleudert. Man vermeint, festen Boden gewonnen zu haben, doch der gequälte Oktavsprung des Finales stellt alles wieder in Frage.

Ein ritterlicher Abschnitt kämpft mit böhmischen Synkopen dagegen an. Nach einem „orientalischen“ Aufschwung der Klarinette übernehmen die Blechbläser für einige Zeit die Führung. Die Reprise ist an ihren nachhinkenden Paukenschlägen leicht zu erkennen. Nach einer letzten Brahms-Reverenz (Harmonien in Takt 332) beschließt ein Choral das ernste Werk im Kirchenstil.

Dvorak präsentiert uns seiner siebenten Sinfonie eine Überfülle an Themen und Motiven, die er nach allen Regeln der Kunst zu verarbeiten sucht. Die 1885 erfolgte Londoner Uraufführung geriet dementsprechend zu einem großen Erfolg. Einer von Brahms besten und treuesten Exegeten hat das Werk dann auch in Deutschland bekannt gemacht: Der Uraufführungsdirigent von Wagners „Tristan“ Maestro Hans von Bülow – womit das Programm dieses Konzerts sozusagen in „Balance“ bleibt…